Sitz des Reiters:

Der Sitz des Reiters in Renaissance und Barock
Über den Sitz des Reiters in Barock und Renaissance sind aus den spärlichen Anweisungen in den Quellen häufig falsche Schlussfolgerungen gezogen worden. Zu keiner Zeit wird ein begabter, einfühlsamer Reiter steif und unelastisch auf seinem Pferd gesessen haben. Werder Mensch noch Pferd würden dabei lange gesund bleiben. Wenn Bilder in historischen Reitlehren diesen Eindruck vermitteln, sind sie als Quellen kritisch zu betrachten. Oft war der Künstler nicht in der Lage, Harmonie zweischen Reiter und Pferd wiederzugeben.

Bei Anweisungen über den Sitz des Reiters sollte man unterscheiden, ob sie formal oder einen funktionalen (anatomisch) begründet werden. In den "neuen" Richtlinien für Reiten und Fahren, Band 1 - Ausgabe 1994, die von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung herausgegeben werden, findet sich ein Beispiel für eine rein formale Anweisung. Über den Dressursitz (besser:Grundsitz) findet man auf Seite 51 an erster Stelle den leider weitverbreitete Unsinn von dem Lot, das vom Ohr über Schulter und Hüftgelenk auf das Fußgelenk treffen sollte (häufig begründet mit Argumenten zum Gleichgewicht). Wer nach dieser Richtlinie unterrichtet wird, kann möglicherweise viele Jugendreiterprüfungen gewinnen, einen geschmeidigen und losgelassenen Sitz wird er kaum erlernen. Viel besser steht es in in den Richtlinien, Ausgabe 1986, die von H.D.Donner geschrieben worden sind. " Das Gesäß ruht mit losgelassenen Muskeln in voller Breite im Sattel. Die Oberschenkel, mit ihrer inneren ,breiten Fläche anliegend, werden so weit nach innen gedreht, daß das Knie flach am Sattel liegt. Sie werden soweit zurückgenommen, wie es mit dem Sitz auf beiden Gesäßknochen vereinbar ist..... Die Unterschenkel hängen vom Knie aus je nach der Länge der Beine des Reiters mehr oder weniger schräg nach rückwärts am Pferdeleib herab und halten weiche Fühlung (nur mit dem oberen Tei der Wade).
Die Fußspitzen sind in geringem Maße vom Pferd abgewendet.
An anderer Stelle sagt er: "Die Losgelassenheit macht 90 Prozent des "Guten Sitzes" aus, alle anderen Merkmale sind zweitrangig."

Besser kann man es nicht sagen, allenfals genauer. Wie weit sollen die Unterschenkel zurückgelegt werden?
Genau soweit, wie es bei der oben beschriebenen Knielage und beim Beugen des Knies in seiner anatomisch festgelegten Bewegungsebene (abhängig von der Anatomie des Pferdes) möglich ist. Der Unterschenkel und der Fuß müssen dabei in Richtung des Oberschenkels angewinkelt bzw. angelegt werden (etwa in Richtung der gegenüberliegenden Pferdehüfte). Nur so vermeidet man ein unnatürliches Verdrehen der Gelenke und Verspannen der Muskulatur. Man sitzt in größtmöglicher Übereinstimmung mit den anatomischen Bedingungen des menschlichen Körpers. Die Oberschenkel und die Knie sollen anliegen (Knieschluß). Wie stark? Die obere Wade soll weiche Fühlung halten. Wie weich?
Dazu müssen wir uns bewußtmachen, daß Reiten kein statischer sondern ein dynamischer, rhytmischer Prozess ist. Die im Zusammanhang mit dem Reiten angeführten physikalischen Überlegungen sind meistens der Statik entnommen und und gelten allenfalls für Reiterstandbilder. Bei jedem Bewegungszyklus werden wir zunächst vom Pferderücken nach oben getragen und fallen anschließend durch die Erdbeschleunigung wieder zurück. Da der sich Pferderücken aber durch Muskeleinsatz schneller senkt als der Reiter fällt, muß auch der Reiter sich aktiv bewegen um den tiefsten Punkt der Bewegung rechtzeitig (ohne zu plumpsen)zu erreichen. Der Knieschluß sollte ausreichen, genügend Haftreibung zwischen Bein und Sattel bzw. dem Pferdeleib zu erzeugen, um ein Mitgehen des Reiters mit der Bewegung des Pferderückens möglich zu machen. Ebenso sind Handhaltung und Stellung des Oberkörpers ausschließlich über die anatomischen und ergonomischen Gegebenheiten zu begründen.
Die richtige Position der Hand ergibt sich wie folgt: Der Arm hängt zunächst zwanglos aus den Schultern herab. Dabei liegt der Handrücken außen. Jetzt werden die Ellenbogen mehr oder weniger gebeugt und die Hände zwanglos zur Faust geschlossen. Jede Verdrehung aus der anatomisch vorgegebenen Stellung der Gelenke führt zu Versteifungen und damit zu Belästigung des Pferdemauls.
siehe auch: Holleuffer

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