Zügelhilfen

Einwirkungen mit den Zügeln sind oft unvollkommen und irrational. Der Grund dafür ist nicht nur daß ein Reiter, der noch nicht gelernt hat, losgelassen und ausbalanciert zu sitzen sich am Zügel festhalten muß (d.h. nicht unabhängig von der Hand sitzt), sondern vielmehr die Tatsache, daß wir Menschen in praktisch allen Situationen gewöhnt sind, mit der Hand zu agieren. Jeder glaubt außerdem von sich, daß er zumindest normal geschickt dabei ist. Bei Problemen, die beim Reiten auftreten wird der Reiter also zunächst instinktiv versuchen, durch Zügeleinwirkung zu reagieren. Zügelhilfen dienen, wie andere Hilfen auch, der Verständigung zwischen Reiter und Pferd und wirken auf das den Unterkiefer, die Zunge sollen vor allem eine Bewegung im Genick des Pferdes auslösen, d.h. die Stellung bestimmen . Das Pferd wird feinste Einwirkungen wahrnehmen und darauf reagieren, wenn es die Bedeutung der Hilfe gelernt hat. Die Reiter früherer Generationen haben, um feies Einwirken zu ermöglichen Kandaren mit langen Anzügen benutzt. Bei ruhig stehender Reiterhand ist, wie leider nur Wenige wissen, die Wirkung auf das Pferdemaul um so sanfter, je länger die Anzüge sind.

Beim Militär, von dessen Bedürfnissen die deutsche Reiterei auch heute noch weitgehend beeinflußt wird, brauchte man allerdings eine festere "Anlehnung". Bei dem oft hektischen kavalleristischen Geschehen ist das auch kaum anders zu erwarten. Reitkunst sollte aber versuchen, mit möglichst feinen Einwirkungen zu arbeiten. Warum sehen wir also in unseren Reithallen ständig diese schlimmen Bilder der Mißhandlung der Pferdemäuler. Zunächst glaubt auch der blutigste Anfänger auf einem schlecht gerittenen Pferd, er müsse den Hals des Pferdes in die Form zerren, die er bei voll ausgebildeten S-Pferd ( leider sieht man selbst bei Olympia-Siegerinnen oft Pferde, die weit hinter die Senkrechte beigezäumt sind) gesehen hat, oder die Ihm ein unfähiger Reitlehrer abverlangt. Der Zügel dient also nicht in erster Linie der Führung, sondern der Formung des Halses, anstatt die Formung des Halses der versammelnden, hankenbiegenden Arbeit zu überlassen. Das ist natürlich leichter gesagt als getan, aber Reiten ist nun mal anspruchsvoll, wenn man Harmonie anstrebt. Lesen Sie hiezu bitte:

Paul Plinzner:    Gustav Steinbrecht:


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