Jeder Besitzer eines
deutschen Reitabzeichens hat sie zur Prüfung auswendig gelernt. Von der FN wird
sie als unverzichtbare Grundlage jeder Arbeit mit dem Pferd angesehen. Von
einigen Anhängern alternativer Reitweisen wird sie mehr oder weniger angezweifelt.
Ein Blick auf die sechs Begriffe ( Takt, Losgelassenheit, Anlehnung,
Geraderichten, Schwung, Versammlung) müsste eigentlich erkennen lassen, dass
man nicht ernsthaft an deren Bedeutung zweifeln kann. Zweifel müssen aber
aufkommen, ob sie vernünftig verstanden und umgesetz werden, wenn man den
Zustand der real existierenden Reiterei in unseren Reithallen und auch auf unseren Turnieren
betrachtet. Auswendiges Herbeten der
Begriffe schadet zwar nichts, hilft aber auch nicht weiter. Ein tieferes Verständniss und
konsequentes Anwenden ist nötig.
1.Takt:
"Takt ist das Gleichmaß der Bewegung" wird meistens zur Erläuterung
des Bergriffes angeboten. Niemand dürfte daran zweifeln, dass ein Pferd nicht
lahmen sollte. Das allein ist aber selbstverständlich und wenig hilfreich.
Eiliges Trippeln und schleppende Bewegungen können aber auch im Gleichmaß erfolgen.
Der Takt (Ein Musiker würde statt
Takt eher den Begriff Rhythmus verwenden) ist aber erst in Ordnung, wenn er nicht irgend eins
sondern das richtige Zeitmaß hat. Im Trab (Arbeitstrab) liegt dies bei 150
Tritten pro Sekunde. Zur Selbstkontrolle kann man ein Metronom benutzen oder mit einer
Stoppuhr genau die Zeit für zehn Tritte messen. Tempo 150 entspricht genau
4.00 Sekunden. Losgelassenheit und Schwung sind nur möglich,
wenn man nicht wesentlich von diesem Wert abweicht. 4.20 Sekunden sind das Tempo
für einen stark versammelten Trab und für ein Pferd, das diesen
Versammlungsgrad noch nicht leisten kann, deutlich zu langsam und würde zu
schleppender Bewegung führen. Bei einem eiligeren Tempo (ca.:ab 3.80) kann
der Rücken des Pferdes nicht mehr mitschwingen, so dass das Pferd ihn fest
halten muss und zum Schenkelgänger wird (d.h.: es bewegt sich nur noch mit
den wenig bemuskelten unteren Extremitäten). Auch Schritt und Galopp haben
ein optimales Zeitmaß (um 5.80 für 10 Schritte / 6.80 für 10 Sprünge), dessen Nichtbeachtung kommt aber nicht so
häufig vor und schädigt den Pferderücken weniger. Für den Reiter bedeutet
dies: Er muss das Tempo bestimmen. Jedes Pferd versucht seine Kräfte
zu schonen. Die meisten entziehen sich der kräftezehrenden Rückentätigkeit
durch "Rennen". Der Reiter muss dieses zunächst erkennen und dann das
Tempo verlangsamen. Dazu muss er zunächst das Tempo seines Pferdes überhaupt
beeinflussen können und dies durch häufiges Wechseln des Tempos üben.
Gelingt die Herstellung eines korrekten Tempos, kann man nach einigen Minuten
bemerken, wie der Pferderücken zu arbeiten anfängt.
Solange das Pferd das Tempo der Bewegung bestimmt, hat es gegenüber dem Reiter
eine dominierende Position und wird diese auch in anderen Aspekten durchsetzen.
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2. Losgelassenheit: Der Gegenbegriff ist "Verspannung", was den Irrtum nahe legen
könnte, Losgelassenheit sei das Gleiche wie Entspannung oder gar Schlaffheit.
Wir verlangen aber von unserem Pferd Kraftentfaltung (Dynamik). Losgelassen
im Sinne der Reitersprache bewegt sich ein Pferd dann, wenn es diese Kraft im
Rhythmus der Gangart nur in kurzen Momenten zum Abdrücken vom Boden entfaltet
und dazwischen in der Schwebephase seine Muskulatur möglichst weitgehend
entspannt (Wie bei einem geprellten Ball, wo nur wenn er von seinem
Eigengewicht am Boden zusammengedrückt wird, eine elastische Kraft entsteht).
Die zwischen den Krafteinsätzen völlig entspannte Muskulatur von Leichtathleten
kann man in Zeitlupen-Aufnahmen gut erkennen. Diesen ständigen, harmonische
Wechsel zwischen An- und Entspannen der Muskulatur kann natürlich nur ein
taktmäßig (besser: rhythmisch) und zwanglos gehendes, Pferd leisten.
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3. Anlehnung:
Dieser Begriff führt zu den meisten Missverständnissen zwischen den Vertretern
der verschiedenen Reitweisen. Wird gar von sicherer Anlehnung gesprochen,
liegt er die Assoziation "je sicherer, desto besser" nahe und es
verwundert nicht, dass von 100 Reitern 99 ihr Pferd durch ständiges Zerren am Zügel belästigen.
In den
FN-Richtlinien wird Anlehnung aber als weiche, elastische Verbindung zum
Pferdemaul erläutert. Anders ausgedrückt: Der Zügel, Gebiss und Hand dienen nur der Übermittlung der
Hilfen an das Pferdemaul und dürfen nicht grober sein als für
die Kommunikation unbedingt nötig. Ein Pferd ist in korrekter Anlehnung ("am Zügel") wenn es die
Zügelhilfen willig annimmt und befolgt. Die Ausbildung eines Reitpferdes (d.h.:
die Förderung der Selbsthaltung durch Versammlung) muss dahin führen, dass
die Hilfen ständig feiner werden können. Ein gut gerittenes Pferd sollte so
durchlässig sein, dass man es durch das Zügelgewicht führen kann. Einen
Grundsätzlichen Widerspruch zwischen "Spanischer" oder
"Englischer" Reitweise gibt es nicht.
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4. Geraderichten
Ein Begriff, der von Anfängern nur falsch verstanden werden kann.
Das
korrekte Einstellen auf die gewünschte Linie, (also auf gebogenen Linien ein
gebogenes Pferd) erklärt nur oberflächlich das Gemeinte. Richtig verstanden
beinhaltet er: In allen Lektionen muss die Hinterhand zum richtigen Einsatz
in Bezug auf die Vorhand gebracht werden. Dazu muss (auch auf gerader Linie)
immer mit mehr oder weniger Biegung und Stellung geritten werden. So
verstanden ist auch im Schulterherein ein Pferd gerade gerichtet. Zu beachten
ist dabei, dass immer die Vorhand zur Hinterhand eingerichtet wird, nicht
umgekehrt. Dabei sind Losgelassenheit und gute Durchlässigkeit notwendig.
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5. Schwung Schwung meint nicht das selbe wie Bewegung. Bewegen tut sich auch ein Rad,
schwingen tut z.B. ein Pendel. Bei einer schwungvollen Bewegung ändert sich die vertikale
Geschwindigkeit des sich bewegenden Körpers. Das losgelassen trabende Pferd
bewegt sich am schnellsten im Augenblick des Abfußens. Am höchsten Punkt ist
die (vertikale) Geschwindigkeit null. Durch diesen Ablauf entsteht ein ausgeprägter,
ästhetisch ansprechender Rhythmus. Ein verspanntes Pferd wird dagegen, auch
wenn es sich mit großer Übersetzung bewegt, einen hölzernen Eindruck machen, seine
Bewegungen sind "geführt" und daher kraftraubend.
Schwung kann ein Pferd nur entfalten wenn es zu selbständigem, zwanglosem Arbeiten angeregt werden kann. Unter
Druck und Stress, mit groben Einwirkungen bekommt man nur unschönes Gestrampel.
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6. Versammlung:
Die Versammlung ist das zentrale Ziel der Ausbildung zum Schulpferd. Auf die Frage
nach der Bedeutung dieses Begriffes erhält man meistens die Antwort: Die Hinterhand des
Pferdes soll vermehrt vortreten. Besser wäre schon: die Hinterhand soll
vermehrt Last aufnehmen, bzw. vermehrt unter den Schwerpunkt treten. Dieser
liegt mitten unter den Pferdebauch. Das Hinterbein muss also nicht in
Richtung des gleichseitigen Vorderbeins wie bei einem Rennpferd sondern nach innen geführt werden.
Dazu muss die Hanke (Hüftbein und Oberschenkel) gebeugt werden. Pferde tun
dies zwanglos in den Seitegängen. In der Versammlung ist der gesamte Bewegungsablauf
mehr nach aufwärts als nach vorwärts gerichtet und für den Reiter bequemer,
da mit zunehmender Kraft und Übung ein ruhigeres Tempo möglich wird. Das
Tempo des Arbeitstrabes (ca 150) kann ein Erwachsener kaum aussitzen, das etwas
langsamere des versammelten Trabes (ca 140) dagegen wohl. Dass ein versammelt gehendes
Pferd prinzipiell länger gesund bleibt, glaube ich nicht, wenn ein
Erwachsener allerdings ein Pferd im Arbeitstrab auszusitzen versucht und dem
Pferd bei jedem Tritt in den Rücken fällt, wird der Bewegungsapparat dies
nicht lange aushalten. Ein sich im versammelten Tempo bewegendes Pferd wirkt auf den Zuschauer besonders
ausdrucksvoll, da die einzelnen Tritte und Sprünge mehr Kadenzauweisen.
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