Gustav Steinbrecht über die Piaffe


Die Ferdern der Nachhand

Die gewöhnlichsten Mängel entstehen aus unrichtiger Belastung der Hachhand die entweder zu stark oder zu schwach sein kann Ist die Belastung der Nachhand zu stark, sind also die Hinterbeine bei übertriebener Biegung der Gelenke zu weit unter die Last getreten so werden sie nicht mehr Imstande sein, sich energisch vom Boden abzustoßen weil die Federkraft der Hinterbeine durch Überlastung unterdrückt ist wie jede mechanische Feder unter zu großer Last ihre Elastizität verliert. Das so gerichtete Pferd wird zwar die Vorderbeine vielleicht hoch erheben, die Bewegungen der Hinterbeine aber werden beim Zuschauer den Eindruck erwecken, als wenn ihre Füße am Boden klebten oder in tiefem Lehme steckten aus dem sie sich nicht losmachen können, wodurch der Reeiter bei dieser fehlerhaften Piaffe ein mattes, lasches Gefühl unter seinem Gesäß verspürt. Der Leser wird jetzt auch verstehen, was mit dam Ausdruck gemeint ist: die Bewegungen des Rumpfes müssen sanft und dabei doch kräftig sein. Zu dieser Überlastung der Hinterschenkel werden insbesondere diejenigen Pferde neigen, die bei von Natur biegsamer Nachhand angeborene oder anerzogene Schwiergkeiten In der Vorhand haben, namentlich diejenigen, welche zu falscher Aufrichtung mit herausgedrücktem Unterhals und festgehaltenem Genick Anlage haben.. Das eine derartigePiafte den Zweck dieser Schule vollständig verfehlt, und bei dauernder Anwendung die Federn der Nachhand, also die Motoren aller Bewegung nicht nur nicht stärkt, was die Piaffe doch soll sondern ganz entschieden schwächt, wird dir einsichtsvolle Bereiter diesem Übel vorzubeugen oder es doch schon, wenn er bei einem Pferde Neigung dazu spurt, im Entstehen energisch zu bekämpfen suchen. Die Mittel dazu sind in der Theorie, obgleich ihre Anwendung in der Praxis oft auf große Schwiengkeiten stößt, unschwer zu finden, da es offenbar nur darauf ankommen kann Hals und Kopf tiefer zu richten, und die dadurch entlasteten Hinterschenkel vom Schwerpunkte mehr zu entfernen. Es wird also auch hier dasselbe Verfahren Anwendung, finden das bei der Vor Versammlung des Galopps mehrfach erwähnt wurde und darin besteht, daß man jede unrichtige Belastung der Nachhand, die sich stets durch Fehler in der Anlehnung äußert - hier also dadurch daß das Pferd nicht am sondern über dem Zügel tritt -, durch energisches Vorwärtstreiben an den Zügel heran abzuslellen sucht. So wird es In unserem Fall ratsam sein, sobald wie wir die besprochene fehlerhafte Erscheinung merken, zuforderst in rücksichtslosem Vorwartsreiten wobei Schenkel und Sporn das Pferd zum Abstoßen an der aushaltenden Hand bringen, die richtige Anlehnung wiederherzustellen und durch Anregung der Schubkraft die unterdückten Federn der Nachhand wieder zu beleben. Sammelt man dann sein Pferd wieder zur Piaffe, so wird man belehrt durch die vorhergegangene Erfahrung, von vornherein darauf bedacht sein, es dabei gut am Zügel zu erhalten, und wird ihm zu diesem Zweck nicht gestatten, ganz auf der Stelle zu treten wozu ein derart beanlagtes Pferd stets gern bereit sein wird, sondern es Im piaffieren unausgesetzt an die Hand heran vorwärts zu treiben, und wenn dies nicht gelingt die Piaffe zu unterbrechen und das Pferd energisch mit Schenkel und Sporn vorzudrücken, um es an die Hand heran zu bringen. Hat man erreicht, daß das Pferd seine Piaffe am Zügel ausführt, so wird auch die Überlastung der Nachhand und die Unterdrückung ihrer Federn damit behoben sein Um aber das Abfedern der Hinterbeine noch mehr zu fördern, wird man sein Gewicht vor übergehend mehr nach vorne verlegen und durch lebhafte, feine Spornhilten, unterstützt durch die Gerte die Hinterschenkel anzuregen suchen. In der Hauptsache bleibt wie Immer, so auch hier, richtige Verteilung der Gewichte oder mit anderen Worten, zweckentsprechende Richtung des Skelettes die Grundlage, auf der die richtige Tätigkeit des ganzen Muskelgefüges beruht. Die einzigen Mittel dazu, die Gewichte so zu verteilen, wie es der Zweck erheischt, sind aber allein richtiges Zusammenwirken vortreibender und verhaltender Hilfen.

Zu wenig Last

Der entgegengesetzte Fehler entsteht, wenn die Nachhand in der Piaffe zu wenig belastet ist und dadurch Freiheit hat von ihren Kräftenl ungeregelten und rüden Gebrauch zu machen. Die alsdann in ihren Gelenken nicht genügend gebogenen Hinterschenkel stoßen dabei in unelastischer Weise vom Boden ab, so daß die Kruppe, die bei der richtigen Piaffe nur sanfte, wenig bemerkbare Auf- und Abwärtsbewegungen macht, in heftige Schwingungen versetzt wird, wo durch der Reiter unsanfte, ihn nach vorn schleudernde Stöße erhalt. In dieser fehlerhaften Bewegung, bei der die Tragkräfte der Nachhand zu wenig in Anspruch genommen sind, ist die Vorhand zu wenig entlastet die Vorderschenkel können daher keine erhabeneren Tritte machen, da sie die ihnen von der Nachhand zugeworfene Last auffangen müssen und daher nicht frei und ungezwungen arbeiten können Wie stets so werden auch in diesem Fall die Fehler des Ganges sich durch Mangel in der Anlehnung fühlbar machen und zwar wird das Pferd, das in dieser Welse mit steifer und hoher Nachhand auf den Schullern piaffiert, sich hinterm Zügel verbalten in dem richtigen, naturgemäßen Empfinden, daß es ihm durch Herangehen an diesen sehr bald unmöglich gemacht werden würde, sich in der Nachhand zu steifen. Die Korrektur dieser fehlerhaften Piaffe besteht deshalb auch hier wieder lediglich darin, die sichere Anlehnung durch richtiges Arbeiten nach vorwärts zu erzielen. Auch hier wird der einsichtsvolle Bereiter daher, sofern er bein Pferd nur im Sattel arbeitet, die Arbeit auf der Stelle sowie er Neigung zum Verhalten spürt, bis auf weiteres vollständig einstellen und mit ganz energischen Mitteln, gegebenenfalls der Bahnpeitsche in der Hand eines verständigen Gehilfen, sich sein Pferd an die Hand oder sogar auf die Hand treiben. In der Regel wird nämlich das Pferd zunächst, sobald es sich zum Vorgehen aus dieser Piatffe entschlossen hat, in einer diesem entsprechenden Art von Passage oder schwebenden Trabbewegung sein ganzes Gewicht auf die Hand werfen, um auf diese Weise doch die Möglichkeit zu behalten, die Nachhand durch Steifen der Biegung zu entziehen .In diesem Beginnen störe es der Reiter einstweilen gar nicht, denn gerade dadurch gibt es Ihm die Möglichkeit, dem Pferde nach und nach durch wiederholte Arrets doch die Hinterschenkel zu biegen. Allerdings muß hier bei sehr allmählich vorgegangen werden, da der Trieb nach vorwärts während der ganzen Arbeit besonders rege erhalten werden muß, wenn der Erfolg nicht sofort wieder in Frage gestellt werden soll. Bei sorgfäaltiger Beachtung dieses Hauptgrundsatzes wird es jedoch den durchgehenden Arrets nach und nach gelingen, die Gewichte der Vorhand auf die Nachhand zu übertragen und dadurch die Hinterschenkel, die stets zum labhaften Vortreten angehallen werden müssen zu biegen, wodurch dann die bisher mit dem Gewicht der Gesamtmasee beschwerte Hand mehr und mehr entlastet und so die richtige Anlehnung am Zügel allmählich hergestellt werden wird. Aber auch nachdem dies erreicht ist, wird man gut tun, lange Zelt hindurch sein Pferd bei der Piaftearbeit immer noch im Vorgehen zu erhalten um zur wirklichen Piaffe auf der Stelle nur ganz allmählich zu gelangen, nachdem nämlich die auf dem Trieb nach vorwärts beruhende Anlehnung recht sicher begründet ist. Je sorgfältiger nun das Pferd vorher in Trablektionen bearbeitet und in verstärkten Biegungen der Hanken durch die Schulen auf zwei Hufschlagen geübt war, desto sicherer und früher wird es, auch wenn es in der Befangenheit der neuen Aufgabe gegenüber und in dem jedem Geschöpf innewohnenden instinktiven Widerstreben zunächst in den beschriebenen Fehler verfallen sein sollte, dennoch zu einer geordneten Piaffe mit richtiger Anlehnung gelangen. Man wird deshalb gut tun, diese Grundlage aller weiteren Ausblldung, die Trablektlonen, immer wieder zu befestigen



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